Im Rechtsstreit mit Facebook hat der Jurist Max Schrems die irische Datenschutzbehörde (DPC) bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Österreich angezeigt. Damit reagiert Schrems auf eine Forderung aus Irland, keine vertraulichen Dokumente aus dem Verfahren zu veröffentlichen. Eine Verschwiegenheitserklärung, die die irische Behörde seiner Organisation noyb vorgelegt habe, könne nach österreichischem Recht eine illegale Vorteilsannahme feststellen, teilt Schrems mit.
Schrems hat vor mehr als drei Jahren – an dem Tag, an dem die Datenschutzgrundverordnung rechtswirksam wurde – Beschwerden gegen Facebook am Europasitz des Konzerns in Irland eingebracht. Im Kern steht die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage Facebook die Daten seiner Nutzer:innen verarbeiten darf – aus Sicht von noyb ist es nicht zulässig, dass Facebook die Nutzung seines sozialen Netzwerks an die Zustimmung zur Datennutzung für Werbezwecke koppelt.
Allerdings lässt sich die irische Datenschutzbehörde DPC mit diesem und anderen großen Verfahren gegen Techkonzerne ordentlich Zeit. Das sorgt für Ärger bei NGOs und anderen Behörden: Der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber wirft seiner irischen Kollegin Helen Dixon vor, die Verfahren zu verschleppen und ihr Zögern mit „falschen Aussagen“ zu verschleiern. Auch Schrems hatte der Behörde im Mai 2020 vorgeworfen, sich heimlich mit Facebook abzustimmen und damit parteiisch für den Konzern zu agieren.
Irland fordert „Vorkehrungen“ für Vertraulichkeit
Das Verfahren gegen Facebook hat erst vor wenigen Tagen einen Schritt nach vorne gemacht. In ihrer Entscheidung rügte die irische Behördenchefin Helen Dixon Facebook für „mangelnde Transparenz“ und stellte eine Strafe von 28 bis 32 Millionen Euro in Aussicht. Von weitere Konsequenzen für den Konzern in der Frage, ob seine Einwilligung rechtskonform sei, will sie aber absehen. Einen entsprechenden vorläufigen Bescheid sandte sie nach Brüssel, dort kann der Europäische Datenschutzausschuss noch Einspruch erheben – ein Schritt, auf den Schrems vehement drängt.
Die Anzeige von Schrems stellt nun einen neuen Eskalationsschritt dar. Seine Organisation veröffentlicht gleich mehrere Schreiben aus Irland, in denen die Behörde die Herausgabe weitere Verfahrensdokumente an die Bedingung knüpft, „Vorkehrungen“ für deren Vertraulichkeit zu treffen. Diese Zusicherungen müssten vor irischen Gerichten einklagbar sein. Grund für diese Forderung sei, dass Schrems und seine Organisation die vorläufige Entscheidung der irischen Datenschutzbehörde im Facebook-Fall gegen deren Willen veröffentlicht hätte.
„Vom Steuerzahler finanzierter Handlanger Facebooks“
Damit wolle die irische Behörde „jede Kritik unterbinden“, sagt Schrems. Die irische Datenschutzbehörde habe sich auf eine verfahrensrechtliche Erpressung eingelassen. „Nur wenn wir den Mund halten würden, würde die DPC uns unser Recht auf Anhörung ‚gewähren‘. Wir haben den Vorfall bei der österreichischen Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt. Es handelt sich hier um eine Regulierungsbehörde, die eindeutig eine Gegenleistung für die Erfüllung ihrer Aufgaben verlangt, was in Österreich wahrscheinlich als Bestechung gilt.“
Für die Adventszeit hat Schrems Lesungen aus Dokumenten von Facebook und der irischen Datenschutzbehörde angekündigt. Er sagt: „Wir hoffen sehr, dass Facebook oder die DPC rechtliche Schritte gegen uns einleiten, um endlich klarzustellen, dass die Meinungsfreiheit über die Panikmache eines multinationalen Konzerns und seiner vom Steuerzahler finanzierten Handlanger steht. Leider müssen wir davon ausgehen, dass sie selbst wissen, dass sie keine rechtliche Grundlage haben, um gegen uns vorzugehen, weshalb sie von vornherein auf prozessuale Erpressung zurückgegriffen haben.“
Inzwischen meldete sich auch der Datenschützer Johnny Ryan vom Irish Council for Civil Liberties zu Wort. Auch er habe in seiner Beschwerde gegen Google eine 6.429 Worte lange Verschwiegenheitserklärung von der irischen Behörde vorgelegt bekommen. Dies habe die DPC als Bedingung für den Zugang zu Dokumenten festgelegt. „Transparenz ist so wichtig für das [Verfahren]. Die DPC hat ein Transparenz-Problem“, sagte Ryan.
Es bleibt also spannend. Die irische Behörde reagierte zunächst nicht öffentlich auf die Vorwürfe und die Anzeige von Schrems.
Vielleicht liegt ja ein Interessenskonflikt vor: 0P0000O4CX -> Top Positions
Irland steht momentan auf Platz 20 im Korruptionswahrnehmungsindex, mit Tendenz nach unten. Das Facebook Verfahren wird das noch verstärken. Eine Schande für die EU.
> Eine Schande für die EU.
Eine Schande für die EU wäre es, wenn die EU für die Verhältnisse in Irland verantwortlich wäre, und nicht die Regierung in Irland.
Insofern ja, manche Länder mit dysfunktionaler Justiz könnte man in einer Karte Europas kolorieren. Wie hilfreich es dann ist, diese Kolorierungen dann als „Schandflecke“ der EU zu bezeichnen, sei dahin gestellt.
Es gibt im Übrigen auch eine zu lange Liste von Staaten in Europa, welche Steuerflucht von Firmen und Individuen zu eigenem Vorteil ermöglichen.
Auffällig ist, dass es sich dabei vorwiegend um Klein- bzw. Inselstaaten handelt.
Verwunderlich ist, dass z.B. Frankreich das korrupte Treiben in Monaco duldet, während die Familie Grimaldi Justizreformen beharrlich ablehnt.
In spätestens 20, 30 Jahren, wenn die Geschichts&Gesellschaftswissenschaften genug Distanz gewonnen haben (vermutlich, wenn die Forscher*innen zum einen aus eigener Jugenderfahrung noch wissen, was facebook ist/war, sich zum anderen aber auch aus ihrer social media-Sucht befreit haben), wird Max Schremms mit seinem Vorgehen in Vorlesungen und Geschichtsbücher auftauchen.
Und ich mutmaße, er wird ähnlich dargestellt werden wie Fuchs, Baum, Wallraff, oder meinetwegen auch Snowden und MLK – als jemand, der einen großen Teil seiner Lebenszeit darauf verwendet hat, dem Rest der Welt beim Schutz der Grundrechte unter die Arme zu greifen. Ich hoffe, wenn er damit durch ist, können sich Max und Team mal schönen Dingen widmen – verdient haben sie es!
Persönlich hoffe ich immer noch drauf, dass Zuckerberg & Crew irgendwann vor dem IStGH angeklagt werden, wg. Beihilfe zu systematischen Menschenrechtsverletzungen in Myanmar, den Philippinen, Indien und Äthopien.
Vielleicht hören dann auch die eigentlich progressiven Studierendenvertretungen deutscher Unis auf, ihre Veranstaltungen zu systemischem Rassismus schwerpunktmäßig auf FB zu bewerben – ja, ich meine dich, AStA meiner Heimatuni!
Zuckerberg ist Amerikaner, da wird das mit dem IStGH schwierig… Ich möchte Den Haag keine Invasion wünschen.
Der „Den-Haag-Invasion-Act“ umfasst meines Wissens nur „service member“ der USA oder ihrer Alliierter – also Soldaten&co, und nicht CEOs bzw. Manager (die meist ohnehin nur mit Diplomatenpass verreisen).
Ich geh jetzt erstma ne Spende für noyb auslösen. Kommt jemand mit? Ich arbeite zwar dran, aber kann die im Moment noch nich alleine finanzieren :/
Gott sei dank gibt es Menschen wie Max Schrems.
Sonst wären wir völlig ausgeliefert und wüssten nicht mal was da hinter verschlossenen Türen abgeht.
Er hat mir die Augen geöffnet.
Danke dafür.